Persönliche und volkswirtschaftliche Herausforderungen der Informationsflut
Die folgenden Überlegungen skizzierte ich für eine Interview-Anfrage von Claudia Zettel/Pressetext zum Thema „Internet produziert oberflächliche Leser“. Die fertige Geschichte wurde am 11. Juni auf http://www.pressetext.com/news/100611003/internet-produziert-oberflaechliche-leser publiziert.
Sehen Sie ähnliche Probleme, die durch das Echtzeitweb und den ständigen Informationsfluss verursacht werden?
Die Veränderungen durch das Echtzeitweb sind nicht reversibel. Unser Informationskonsum hat sich durch Facebook und Twitter bereits verändert; diese Entwicklung wird sich mit der stärkeren
Durchdringung des mobilen Internets sogar noch beschleunigen. Nachrichten werden überall und zu jeder Zeit konsumiert – und selbst produziert.
Das führt zu einer Reihe ernst zu nehmender Herausforderungen – nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft:
Für den Einzelnen:
– Die Informationsflut verlangt eine neue, erst zu erlernende Zeitdisziplin im Umgang mit den Verlockungen des Informationsstroms
– Mediennutzer müssen lernen, den Newsfluss zu scannen und einzelne Informationen in kürzester Zeit auf Ihre Relevanz zu filtern
– Das Know-how zum Filtern von Informationen (maßgeschneiderte News auf individuellen Web-Portalen, Twitter Lists etc.) wird zum Schlüssel gegen die Überforderung.
– Derzeit wird dieses Filter-Know-how meist individuell und zufällig erworben und mit viel Lehrgeld (sprich verschwendeter Zeit) bezahlt. Künftig sollten Medien, Schulen, Unternehmen und
Weiterbildungs-Institutionen den User dabei massiv unterstützen.
Für die Gesellschaft:
– Das Thema der Informationsflut hat - Stichwort Produktivität – volkswirtschaftliche Relevanz und verlangt ein völliges Umdenken auf breiter Ebene!
– Der Umgang mit dem Echtzeitweb und dessen Informationen avanciert zur wichtigen Kulturtechnik. Schulen, Medien und Wirtschaft wären gut beraten, ihre Schützlinge fit für den Umgang mit dem Real
Time Web und die Kommunikation in Sozialen Netzwerken zu machen.
– Schon in der Schule sollte der Informationsfilterung, dem Umgang mit (sozialen) Medien und der eigenen Privatsphäre im Web wesentlich mehr Bedeutung eingeräumt werden. Das verlangt nicht
zuletzt ein „Nachsitzen“ der Lehrer in der Kulturtechnik der Kommunikation 2.0.
– Auch für die Wirtschaft bedeuten Informationsfülle und Segmentierung der Aufmerksamkeit eine echte Herausforderung im Kampf um den Kunden. Nur ein Beispiel: Jeder Facebook-Nutzer klickt im
Schnitt viermal pro Monat auf einer Facebook-(Fan)Page auf "Gefällt mir". Das bedeutet, dass der durchschnittliche User nach 12 Monaten die Informationen von 48 zusätzlichen Unternehmen oder
Institutionen in seiner Timeline findet. Diese Informationsspirale kann nicht endlos nach oben getrieben werden – auch hier sind neue Strategien gefragt. Letztlich entscheidet immer mehr die
Qualität der Kommunikation: Kundennutzen und Relevanz werden zur Leitwährung an den Aufmerksamkeitsbörsen.
Wie kann man bei Twitter und Co "richtig" filtern, sodass wirklich die wichtigen und passenden Informationen bei einem landen?
Kurze Antwort: mit Disziplin und Know-how. Nach der – hierzulande noch nicht einmal richtig entfachten – Realtime-Euphorie wird jeder Benutzer eines Tages den "Kater" der Überforderung verspüren.
Drei Tipps zur Prävention bzw. Ersten Hilfe:
1. Filtern der Informationskanäle. Ein großes Netzwerk knüpfen – aber nur die unbedingt notwendigen Informationsquellen regelmäßig lesen. - Nur ein Beispiel: Auf Twitter lese ich nicht jeden
Tweet meiner über 1300 Accounts umfassenden Timeline. Dagegen monitore ich regelmäßig die News aus meiner Twitter Liste der ca. 100 wichtigsten Informationsquellen.
2. Regelmäßig entmisten. Wenn ich feststelle, dass Twitter-Accounts oder Facebook Seiten für mich nichts Relevantes liefern - dann bloß keine Scheu vor dem Klick auf "Unfollow" oder "Gefällt mir
nicht mehr"! Auch die Meldungen von Facebook-Freunden lassen sich verbergen, ohne ihnen gleich die Freundschaft zu kündigen.
3. Disziplin: Fixe Zeiten für den Social Media Konsum vornehmen - und diese auch einhalten. Und: Internetfreie Auszeiten nehmen, sollten sich die ersten Zeichen einer Social Media-Sucht
einstellen!
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